Wahrheiten

Der kleine Hund liebte seinen Herrn über alles. Dieser riesengroße Mensch war sein Abgott. Er gab ihm Futter und Wasser und er schien ihn auch zulieben; ganz sicher, denn er streichelte ihn zärtlich und redete mit ihm.
Er gab ihm einen Platz in seiner Wohnung, den er gegen jeden anderen
noch so großen Hund bis zum letzten verteidigen würde!
Das ging so ein ganzes Jahr lang.
Dann wurden die Liebkosungen des Menschen spärlicher.
Er schien immer unruhiger zu werden.
Aber da er niemals vergaß, seinem kleinen Freund das Futter hinzustellen, machte der sich eine Sorgen.
Ab und zu wurde er auch noch gestreichelt.
Menschen waren und dachten eben anders als Hunde!
So sprang er ihm immer wieder voller Freude entgegen, ja er schrie förmlich vor Freude, wenn er hörte, dass der Riesengroße nach Hause kam, der ihm leicht auf den Rücken klopfte und beruhigend, wenn auch etwas abwesend sagte: »Ja, ja! Ist ja gut!
Dann kam die Urlaubszeit. 
Die erste im Leben des kleinen Hundes, der vor Aufregung leise jaulend neben seinen Herrn in das Auto gesetzt wurde, das er schon kannte.
Er versuchte, sich möglichst nahe an den geliebten Menschen heranzudrängen, aber der schob ihn so unsanft zurück, dass der kleine Hund bestürzt zu ihm aufsah.
Er ahnte nicht, dass sein Herr daran dachte, dass er wahrscheinlich überall nur Unannehmlichkeiten mit dem Tier haben und nie ganz frei sein würde.
Er konnte ihn sicher nicht allein in dem fremden Hotelzimmer lassen, und er konnte und wollte ihn auch nicht dauernd mit sich herumschleppen.
Der kleine Hund, der verunsichert vorsichtig mit der Pfote nach ihm tappte, erschien ihm auch längst nicht mehr so nett, wie damals als er ihn in einem Schaufenster sah und kurz entschlossen kaufte, weil er sich gerade sehr einsam fühlte.
Aber im Urlaub wollte er Bekanntschaften machen.
Er wollte, nun ja, was halt alle im Urlaub wollen.
Der kleine Hund war plötzlich eine Last für ihn, und er begann zu überlegen, wie er ihn loswerden könnte.
Als eine gut übersichtliche Strecke kam und er ganz sicher war, dass vor und hinter ihm niemand fuhr, fasste er den kleinen Freund plötzlich im Genick, der ihn zutraulich ansah und versuchte, rasch noch seine Hand zärtlich zu lecken, warf ihn kurzerhand aus dem Wagen und fuhr davon, ohne sich noch einmal umzusehen.
Der kleine Hund überschlug sich, aber er hatte keine Verletzung davongetragen.
Er stand da, sah dem Wagen nach, der hinter einer dünnen Staubwolke immer kleiner wurde, und verstand die Welt nicht mehr.
Sicher würde der Wagen gleich wiederkommen.
Sicher war das nur ein Versehen.
Vielleicht ein etwas grober Scherz wie damals, als er ihn in ein tiefes Wasser geworfen hatte, um zu sehen, ob er schwimmen könne.
Sicher würde er wieder besonders gestreichelt werden.
Er würde warten, wie er schon so oft gewartet hatte.
Er setzte sich an den Rasenrand der Straße.
Er war nicht mehr der Jüngste, was ihm sein Herr nicht angesehen hatte. Seine Augen waren bereits etwas getrübt, aber er wusste, dass der Wagen, auf den er wartete, grün war.
Manilagrün, wie die Menschen das nannten.
Jedes Mal, wenn ein grüner Fleck in der Ferne auftauchte, richtete sich der kleine Hund auf, spitzte die Ohren und wedelte unsicher mit dem Schwanz. Er lief ganz nah an die Fahrbahn.
Sicher würde dieser Wagen, den er nur etwas verschwommen sehen konnte, halten und er würde schnell hineinspringen und alles würde wieder so sein wie früher.
Aber der Wagen fuhr vorbei.
Und der nächste grüne Wagen auch.
Der kleine Hund war verzweifelt.
Er winselte leise.Was sollte aus ihm werden?
Er hatte doch niemanden auf dieser schrecklich großen, fremden Welt außer diesem Menschen, der in dem grünen Wagen davongefahren war.  
Es kamen noch zehn grüne Wagen, es kamen zwanzig verschwommen grüne Wagen.
Der kleine Hund wurde immer verzweifelter.
Er lief so nahe wie möglich an die Fahrbahn heran und dann plötzlich wusste er es: Das war sicher immer derselbe Wagen.
Er fuhr nur immer wieder an ihm vorbei.
Wenn der nächste
grüne Wagen kam, würde er einfach hineinspringen und dann würde alles wieder gut sein.
Er spannte seine müden Muskeln, duckte sich, als der nächste verschwommen grüne Wagen heranbrauste, und sprang.
Den Aufprall spürte er nur ganz kurz.
Dann wurde er auf die Fahrbahn geschleudert und der nächste Wagen machte einen zottigen, blutigen Fleck aus ihm.
Einen Fleck, der doppelt so groß warwie der kleine Hund.

Der tote Hund sah jetzt viel größer aus, so wie Tote für uns immer größer
werden, wenn man nichts mehr an ihnen gutmachen kann.
(Quelle:www.landos-collie-seiten.de)

Als ich noch ein Welpe war, unterhielt ich Dich mit meinen Possen und brachte Dich zum Lachen. Du nanntest mich Dein Kind, und trotz einer Anzahl durchgekauter Schuhe und so manchem abgeschlachteten Sofakissen wurde ich Dein bester Freund. Immer wenn ich "böse" war, erhobst Du Deinen Finger und fragtest mich "Wie konntest Du nur?" - aber dann gabst Du nach und drehtest mich auf den Rücken, um mir den Bauch zu kraulen.

Mit meiner Stubenreinheit dauerte es ein bisschen länger als erwartet, denn Du warst furchtbar beschäftigt, aber zusammen bekamen wir das in den Griff. Ich erinnere mich an jene Nächte, in denen ich mich im Bett an Dich kuschelte und Du mir Deine Geheimnisse und Träume anvertrautest, und ich glaubte, das Leben könnte nicht schöner sein. Gemeinsam machten wir lange Spaziergänge im Park, drehten Runden mit dem Auto, holten uns Eis (ich bekam immer nur die Waffel, denn "Eiskrem ist schlecht für Hunde", sagtest Du), und ich döste stundenlang in der Sonne, während ich auf Deine abendliche Rückkehr wartete.

Allmählich fingst Du an, mehr Zeit mit Arbeit und Deiner Karriere zu verbringen - und auch damit, Dir einen menschlichen Gefährten zu suchen. Ich wartete geduldig auf Dich, tröstete Dich über Liebeskummer und Enttäuschungen hinweg, tadelte Dich niemals wegen schlechter Entscheidungen und überschlug mich vor Freude, wenn Du heimkamst und als Du Dich verliebtest.

Sie, jetzt Deine Frau, ist kein "Hundemensch" - trotzdem hieß ich sie in unserem Heim willkommen, versuchte ihr meine Zuneigung zu zeigen und gehorchte ihr. Ich war glücklich, weil Du glücklich warst. Dann kamen die Menschenbabies, und ich teilte Deine Aufregung darüber. Ich war fasziniert von ihrer rosa Haut und ihrem Geruch und wollte sie genauso bemuttern. Nur dass Du und Deine Frau Angst hattet, ich könnte ihnen wehtun, und so verbrachte ich die meiste Zeit verbannt in einem anderen Zimmer oder in meiner Hütte. Oh, wie sehr wollte auch ich sie lieben, aber ich wurde zu einem "Gefangenen der Liebe".

Als sie aber grösser waren, wurde ich ihr Freund. Sie krallten sich in meinem Fell fest, zogen sich daran hoch auf wackligen Beinchen, pieksten ihre Finger in meine Augen, inspizierten meine Ohren und gaben mir Küsse auf die Nase. Ich liebte alles an ihnen und ihre Berührung - denn Deine Berührung war jetzt so selten geworden - und ich hätte sie mit meinem Leben verteidigt, wenn es nötig gewesen wäre.

Ich kroch heimlich in ihre Betten, hörte ihren Sorgen und Träumen zu, und gemeinsam warteten wir auf das Geräusch Deines Wagens in der Auffahrt. Es gab einmal eine Zeit, da zogst Du auf die Frage, ob Du einen Hund hättest, ein Foto von mir aus der Brieftasche und erzähltest Geschichten über mich. In den letzten Jahren hast Du nur noch mit "Ja" geantwortet und das Thema gewechselt. Ich hatte mich von "Deinem Hund" in "nur einen Hund" verwandelt, und jede Ausgabe für mich wurde Dir zum Dorn im Auge.

Jetzt hast Du eine neue Berufsmöglichkeit in einer anderen Stadt, und Du und sie werdet in eine Wohnung ziehen, in der Haustiere nicht gestattet sind. Du hast die richtige Wahl für "Deine" Familie getroffen, aber es gab einmal eine Zeit, da war ich Deine einzige Familie.

Ich freute mich über die Autofahrt, bis wir am Tierheim ankamen. Es roch nach Hunden und Katzen, nach Angst, nach Hoffnungslosigkeit. Du fülltest die Formulare aus und sagtest "Ich weiss, Sie werden ein gutes Zuhause für sie finden". Mit einem Achselzucken warfen sie Dir einen gequälten Blick zu. Sie wissen, was einen Hund oder eine Katze in "mittleren" Jahren erwartet - auch mit "Stammbaum". Du musstest Deinem Sohn jeden Finger einzeln vom Halsband lösen, als er schrie "Nein, Papa, bitte! Sie dürfen mir meinen Hund nicht wegnehmen!" Und ich machte mir Sorgen um ihn und um die Lektionen, die Du ihm gerade beigebracht hattest: über Freundschaft und Loyalität, über Liebe und Verantwortung, und über Respekt vor allem Leben. Zum Abschied hast Du mir den Kopf getätschelt, meine Augen vermieden und höflich auf das Halsband und die Leine verzichtet. Du hattest einen Termin einzuhalten, und nun habe ich auch einen.

Nachdem Du fort warst, sagten die beiden netten Damen, Du hättest wahrscheinlich schon seit Monaten von dem bevorstehenden Umzug gewusst und nichts unternommen, um ein gutes Zuhause für mich zu finden. Sie schüttelten den Kopf und fragten "Wie konntest Du nur?".

Sie kümmern sich um uns hier im Tierheim so gut es eben geht. Natürlich werden wir gefüttert, aber ich habe meinen Appetit schon vor Tagen verloren. Anfangs rannte ich immer vor ans Gitter, sobald jemand an meinen Käfig kam, in der Hoffnung, das seiest Du - dass Du Deine Meinung geändert hättest - dass all dies nur ein schlimmer Traum gewesen sei... oder ich hoffte, dass es zumindest jemand wäre, der Interesse an mir hätte und mich retten könnte. Als ich einsah, dass ich nichts aufzubieten hatte gegen das vergnügte Um-Aufmerksamkeit-Heischen unbeschwerter Welpen, ahnungslos gegenüber ihrem eigenen Schicksal, zog ich mich in eine ferne Ecke zurück und wartete.

Ich hörte ihre Schritte als sie am Ende des Tages kam, um mich zu holen, und trottete hinter ihr her den Gang entlang zu einem abgelegenen Raum. Ein angenehm ruhiger Raum. Sie hob mich auf den Tisch und kraulte meine Ohren und sagte mir, es sei alles in Ordnung. Mein Herz pochte vor Aufregung, was jetzt wohl geschehen würde, aber da war auch ein Gefühl der Erleichterung. Für den Gefangenen der Liebe war die Zeit abgelaufen. Meiner Natur gemäss war ich aber eher um sie besorgt. Ihre Aufgabe lastet schwer auf ihr, und das fühlte ich, genauso wie ich jede Deiner Stimmungen erfühlen konnte.

Behutsam legte sie den Stauschlauch an meiner Vorderpfote an, während eine Träne über ihre Wange floss. Ich leckte ihre Hand, um sie zu trösten, genauso wie ich Dich vor vielen Jahren getröstet hatte. Mit geübtem Griff führte sie die Nadel in meine Vene ein. Als ich den Einstich fühlte und spürte, wie die kühle Flüssigkeit durch meinen Körper lief, wurde ich schläfrig und legte mich hin, blickte in ihre gütigen Augen und flüsterte "Wie konntest Du nur?"

Vielleicht verstand sie die Hundesprache und sagte deshalb "Es tut mir ja so leid". Sie umarmte mich und beeilte sich mir zu erklären, es sei ihre Aufgabe dafür zu sorgen, dass ich bald an einem besseren Ort wäre, wo ich weder ignoriert noch missbraucht noch ausgesetzt werden könnte oder auf mich alleine gestellt wäre - einem Ort der Liebe und des Lichts, vollkommen anders als dieser irdische Ort. Und mit meiner letzten Kraft versuchte ich ihr mit einem Klopfen meines Schwanzes zu verstehen zu geben, dass mein "Wie konntest Du nur?" nicht ihr galt. Du warst es, mein geliebtes Herrchen, an den ich dachte. Ich werde für immer an Dich denken und auf Dich warten.

Möge Dir ein jeder in Deinem Leben so viel Loyalität zeigen.

Am Morgen bist Du sehr früh aufgestanden und hast die Koffer gepackt. Du nahmst meine Leine, was war ich glücklich!!! Noch ein kleiner Spaziergang vor dem Urlaub - hurra!
Wir fuhren mit dem Wagen, und Du hast am Straßenrand angehalten, die Tür ging auf, und du hast einen Stock geworfen. Ich lief und lief, bis ich den Stock gefunden und zwischen meinen Zähnen hatte.
Aber als ich zurückkam, warst du nicht mehr da! In Panik bin ich in allen Richtungen gelaufen, um Dich zu finden aber vergebens! Ich wurde immer schwächer von Tag zu Tag.
Ein fremder Mann kam, legte mir ein Halsband um und nahm mich mit. Bald befand ich mich in einen Käfig und wartete dort auf Deine Rückkehr. Aber Du bist nicht gekommen! Dann wurde der Käfig geöffnet. Nein, Du warst es nicht - es war der Mann, der mich gefunden hat. Er brachte mich in einen Raum - es roch nach Tod.
Meine Stunde war gekommen


Geliebtes Herrchen, ich will, daß Du weißt, daß ich mich trotz meines Leidens, das Du mir angetan hast, noch stets an Dein Bild erinnere. Und falls ich noch einmal auf die Erde zurückkommen könnte - ich würde auf dich zulaufen, denn


                                                    ICH HATTE DICH LIEB!!!

Viele Jahre durfte ich Dein treuer Begleiter sein. Du hast schon, als Du mich beim Züchter abholtest, meine Liebe gewonnen.
Ich lief Dir zu und Du nahmst mich in Deine Arme.
Du hast Dir viel Mühe gegeben, aus mir einen wohlerzogenen Hund zu machen. Wichtig war mir, daß Du viel mit mir gespielt
hast, ich habe dabei auch gewonnen.
Du hast nie mit mir geschimpft oder mich gar geschlagen, wenn eine Übung von mir nicht gleich verstanden wurde.
Unsere Bindung, dabei war es Liebe, wurde immer inniger, wir wurden unzertrennliche Freunde, in Freud und auch in Leid. Stolz ging ich mit Dir spazieren und freute mich ebenso wie Du, wenn ich, wegen meines gepflegten Aussehens und meiner Folgsamkeit - manchmal war sie nur Dir zu Liebe - bewundert wurden. Nun meine letzte Bitte an Dich.
Die Zeit ist vergangen, Du wurdest älter und ich alt.
Ich bin zwar noch immer folgsam, aber das Spiel und der Spaziergang wird halt schon immer langsamer.
Aber Du verstehst mich ja, bist noch viele Stunden, auch in
der Nacht, nach einem Tierarztbesuch, wenn ich Schmerzen hatte, bei mir gewesen und die Schmerzen wurden gleich besser.
Wir waren eben Freunde.
Wenn nun mein Hundeleben zu Ende geht, bitte ich Dich, wenn es Dir möglich
ist, mich auf dem letzten Weg zu begleiten. Mein letzter Blick soll Dir gelten, bevor meine Augen brechen.
Sei nicht so traurig, wenn Du einen Freund, vielleicht den besten, verloren hast.

                                                 Lebe wohl!
                                                  (Quelle:www.landos-collie-seiten.de)